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Pflege & Pflegebedürftigkeit im Alter – sensibler Umgang

 

Es ist für die meisten von uns eine Selbstverständlichkeit, unseren Alltag und alle damit verbundenen Aufgaben allein zu meistern. Doch mit zunehmendem Alter können auch vermeintlich einfache Dinge zu einer großen Herausforderung werden. So etwas geschieht nicht über Nacht, sondern ist ein langsamer, schleichender Prozess und wird sehr häufig von uns selbst nicht wahrgenommen. Hier ist es oft die Aufgabe von Verwandten und Vertrauten, uns darauf hinzuweisen, dass wir Unterstützung brauchen. Wie Sie ein solch sensibles Gespräch am besten angehen, erfahren Sie in diesem Expertenartikel über Pflege & Pflegebedürftigkeit im Alter allgemein.

Ab wann ist eine Person pflegebedürftig? Welche Anzeichen deuten auf eine Einschränkung im Alltag hin?

Zu der Frage nach Pflegebedürftigkeit gibt es verschiedene Perspektiven. Gehen wir von der offiziellen Definition aus, wie sie in §14 des Sozialgesetzbuches (SGB XI) festgehalten ist, dann liegt Pflegebedürftigkeit vor, wenn Personen gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen, die sie abhängig von Dritten machen.

Tragend ist hierbei, dass die Beeinträchtigungen körperlicher, kognitiver oder psychischer Natur sind bzw. dass die gesundheitlich bedingten Belastungen/Anforderungen nicht selbständig kompensiert oder bewältigt werden können. Zudem muss die vorliegende Pflegebedürftigkeit auf Dauer, voraussichtlich also für mindestens sechs Monate bestehen, um offiziell zu gelten und entsprechende Unterstützungsleistungen durch die Pflegeversicherung zu legitimieren. Zusätzlich zur definierten Länge muss die Pflegebedürftigkeit außerdem in mindestens der in § 15 SGB XI festgelegten Schwere bestehen.

Im Rahmen der Feststellung von Pflegebedürftigkeit im Alter, also von „gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten” sind festgelegte (eingeschränkte) Kriterien in diesen folgenden Bereichen maßgeblich:

  1. Mobilität
  2. kognitive und kommunikative Fähigkeiten
  3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
  4. Selbstversorgung
  5. Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
  6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

Hierbei wird zudem berücksichtigt, inwiefern vorliegende Beeinträchtigungen der Selbständigkeit bzw. der Fähigkeiten dazu führen, dass die eigene Haushaltsführung noch selbständig erledigt werden kann.

Alter versus neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff

Seit dem 01.01.2017 greift bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit einer Person ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff. Dieser ist eng verwoben mit einem neuartigen Begutachtungsinstrument. Während die Gutachterinnen und Gutachter vom MD (Medizinischer Dienst) im Rahmen der Feststellung von Pflegebedürftigkeit im Alter bisher mit Zeitorientierungswerten gearbeitet haben, wird nun das Maß der Selbständigkeit einer Person ermittelt und in einen entsprechenden Pflegegrad eingeteilt.

Anzeichen von Pflegebedürftigkeit im Alter

Dass eine Person im Alltag mit deutlichen Einschränkungen zu tun hat, können Sie an verschiedensten Punkten erkennen. So geht betreffende Person aus Selbstschutz oder Angst z. B. auffallend seltener aus dem Haus, zeigt deutliche Gangunsicherheiten und muss Vorhaben lange vorab planen oder vorbereiten. Mitunter werden der Haushalt oder die eigene Hygiene auffällig vernachlässigt und es kann ein Gewichtsverlust verzeichnet werden. Auch ein Blick auf die Kleidung kann Aufschluss bieten. Ist diese stark zerknittert oder scheint entgegen dem bisherigen Stil der Person willkürlich zusammengestellt? Worüber spricht die Person? Sind es erlebte Alltagssituationen oder geht es ausschließlich nur noch um Oberflächlichkeiten? Letzteres kann darauf hindeuten, dass die Person nicht mehr oft vor die Tür geht.

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Anzeichen erkennen und rechtzeitig für Begleitung sorgen

Werden die genannten Anzeichen frühzeitig erkannt, bleibt genug Zeit dafür, den neuen Alltag der pflegebedürftigen Person zu organisieren. Dann können beispielsweise ambulante Pflegedienste, Wäscherei-Services oder Haushaltshilfen beauftragt werden, um den Alltag deutlich einfach zu gestalten. Hilfreiche Dienste finden Sie z. B. auf Plattformen wie www.werpflegtwie.de.

 

 

 

 

 

Carolin Makus, werpflegtwie.de

Gerontologin, Autorin und Fachjournalistin – freie Mitarbeiterin bei werpflegtwie.de, wohnhaft in Malta und dort für eigene Buchprojekte aktiv, die sich dem Themenkomplex “Slow Aging” widmen.

Wie sage ich meinen Angehörigen/Freunden, dass ich Unterstützung brauche?

Unsere Gesellschaft neigt dazu, uns einzureden, dass wir nur akzeptiert werden, wenn wir uns aktiv einbringen und unseren „Beitrag“ zum Gemeinwohl leisten. Voraussetzung hierfür ist Gesundheit. Umso schwieriger ist das Eingeständnis, dass man dieses Attribut durch altersbedingte Einschränkungen nicht mehr erfüllt und auf Hilfe angewiesen ist. Oftmals wird dieser Prozess durch Scham begleitet. Das eigene Rollenbild kann kaum noch aufrechterhalten werden und eventuell wird auch Hilfe in sehr intimen Alltagssituationen, bspw. bei einer Inkontinenz, nötig. Doch dieses Eingeständnis ist bereits der erste und entscheidende Schritt, damit Sie Angehörige mit Taktgefühl pflegen und unterstützen können.

Sie dürfen davon ausgehen, dass Ihre Angehörigen und Freunde in der Regel viel Verständnis aufweisen und dankbar sind, wenn Sie sich offenbaren. Zum einen zeigen Sie damit Vertrauen, zum anderen können sich Ihre Angehörigen/Freunde nun aktiv einbringen. Denn in den meisten Fällen hat Ihr näheres Umfeld bereits eine Vorahnung und traut sich ebenfalls nicht, das Thema anzusprechen. Oder aber Ihr Umfeld wohnt weiter weg und kann dadurch nicht einschätzen, ob Sie Unterstützung benötigen. Wenn Sie sich entschieden haben, das Thema anzusprechen, kommunizieren Sie dieses, möglichst direkt und nicht am Telefon. Laden Sie Ihre Vertrauensperson ein und schaffen Sie eine angenehme Atmosphäre. Wichtig ist, dass Sie insbesondere ihre Gefühle und Bedürfnisse verbalisieren, bspw. folgendermaßen:

„Es ist mir unangenehm, dass ich in meinem Alltag nicht mehr ohne fremde Hilfe zurechtkomme. Ich möchte anderen nicht zur Belastung werden und fühle mich in meiner Rolle als Erwachsener zurückgesetzt. Ich wünsche mir von dir, dass wir gemeinsam eine Lösung finden, wie ich meinen Alltag bewältigen kann und auch du gut mit der Situation leben kannst. Mir ist wichtig, auch weiterhin meine Autonomie zu behalten und als erwachsender Mensch wahrgenommen zu werden.“

 

 

 

 

 

 

Peggy Zimmermann, pflegenaut.de

Im Jahr 2008 schloss ich meine Ausbildung zur Altenpflegerin ab. Anschließend studierte ich Betriebswirtschaft im Gesundheitswesen (B.A.). Während meines weiterführenden Studiums der Gesundheitsökonomie (M.Sc.) baute ich das Informationsportal Pflegenaut auf, eine Website, die sich an alle pflegeinteressierten Personen richtet.

In welchem Rahmen spricht man eine hilfebedürftige Person auf dieses Thema an?

Es sind die Kleinigkeiten im Alltag, die mit zunehmendem Alter mehr Energie kosten. Noch anstrengender gestaltet sich der Versuch, die „Fassade“ im sozialen Umfeld und oft gegenüber sich selbst aufrecht zu erhalten. Sich einzugestehen, dass bei manchen Verrichtungen Hilfe benötigt wird, ruft negative Gefühle und ein Gedankengeflecht hervor, in dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sich gegenseitig bedingen: wie man im Laufe seines Lebens gelernt hat, mit Defiziten umzugehen sowie die Bereitschaft, diese zu kompensieren, sowie die Angst, in der Zukunft auf andere angewiesen zu sein.

Mit all dem im Hinterkopf stehen Sie nun vor der Aufgabe, eine geliebte Person, die Schwierigkeiten hat, sich selbst zu versorgen, auf dieses Thema anzusprechen. Im Zentrum der Gespräche sollte Positives stehen: Es geht um Ihre Bereitschaft zu helfen. Sie dürfen keine Vorwürfe machen oder mit Defiziten konfrontieren. Sie sollten Formulierungen wählen wie: „Lass uns zusammen einkaufen gehen, ich muss das sowieso für die Familie erledigen.“ So signalisieren Sie, dass die angebotene Hilfeleistung normal ist und die ältere Person keine Last, sondern Teil der Familie ist. Weisen Sie ausdrücklich darauf hin, dass es normal ist, sich in der Familie gegenseitig zu unterstützen – schließlich hat die ältere Person früher auch anderen geholfen.

Nehmen Sie wertschätzend Rücksicht auf die Gefühle der betroffenen Person. Äußern Sie deutlich, dass Sie sich gerne (nicht aus einem Gefühl der Verpflichtung heraus) zum Beispiel beim Einkaufen einbringen möchten, weil Sie im jüngeren Alter auch Unterstützung bekamen und etwas zurückgeben möchten. Signalisieren Sie der hilfebedürftigen Person, eine Gegenleistung sei „erlaubt“: zum Beispiel in Form von Alltagsdingen wie Kuchenbacken oder dem Einholen von Ratschlägen diesbezüglich (weil Sie von der Weisheit der älteren Person profitieren möchten).

Bedenken Sie, dass es ein langsamer Lernprozess ist, Hilfe zu akzeptieren – es geschieht nicht über Nacht. Der Versuch, diesen Prozess zu „beschleunigen“, kann zu Konflikten führen. Ist das unabsichtlich passiert, sollte fachliche Unterstützung von einer Fachstelle für pflegende Angehörige in Anspruch genommen werden.

Zusammenfassen lässt sich: Es ist auf keinem Fall einfach, aber ein wunderbares Gefühl, wenn Sie es geschafft haben, der hilfebedürftigen Person zu helfen, 1. ihren Alltag besser zu meistern und 2. Ihre Hilfe gern anzunehmen.

Gerade bei dem Thema Heimunterbringung kommt es häufig zu Konfliktsituationen. Wie Sie am besten mit derartig sensiblen Themen umgehen,  können Sie in unserem Beitrag „Konfliktsituation bei Heimunterbringung – Mutter dement & will nicht ins Heim“ nachlesen.

 

 

 

 

 

Josefine Mühlroth, Klinik Bad Windsheim

Als Gerontologin (M.Sc.) in der Klinik Bad Windsheim bin ich seit Jahren für Patienten/-innen und Angehörige da. Ich leite den psychologischen und den gerontologischen Dienst sowie die Vernetzungs- und Öffentlichkeitsarbeit der Akutgeriatrie. Des Weiteren bin ich in der Qualitätssicherung Geriatrie tätig. Ich manage Projekte zu geriatrischen Themen wie Demenz, pflegende Angehörige sowie Ehrenamt und biete Fortbildungen und Vorträge an. Im Jahr 2016 absolvierte ich ein Masterstudium of Health Business Administration.

Was tun, wenn pflegebedürftige Personen bewusst Hilfe von außen ablehnen?

Es kommt immer auf das persönliche Verhältnis an. Ist es nahe Verwandtschaft oder „nur“ ein entfernter Bekannter? Je näher das Verhältnis, desto schwieriger ist es meistens. Wenn ein gutes nahes Verhältnis besteht, kann man als Angehöriger von seinen Gefühlen, Ängsten sprechen, z. B. dass man sich Sorgen macht, dass etwas passiert.

Auf jeden Fall ist es wichtig, ohne Druck Hilfe anzubieten. Oft kommen die betroffenen Personen dann von selbst auf Sie zu. Dann können Sie für sie da sein und sollten das Hilfsangebot auch aufrechterhalten und sich nicht mit „heute ist es aber schlecht“ herausreden.

Machen Sie bewusst, dass die Personen ein Recht auf Hilfe haben. Viele Betroffenen meinen, dass sie keiner Hilfe bedürfen, jedoch bleibt Ihr Angebot auf Hilfe dennoch bestehen. Die meisten „Skeptiker“ lassen sich so überzeugen und nehmen im Nachgang, wenn die Hilfebedürftigkeit selbst erkannt wird, das Hilfsangebot an. Dieser Prozess der Selbsterkenntnis lässt das Selbstbewusstsein unangetastet und die Person kann die Hilfe akzeptieren, da es die eigene Entscheidung ist.

Es ist auch wichtig, den Grund der Scham herauszuhören. Dafür ist Vertrauen wichtig, das über die Zeit durch offenes Zuhören gewonnen wird. Kommunikation hilft ungemein. Nennen Sie gute Beispiele, z. B. wie Nachbarn mit der neuen Situation umgehen. Sie können auch eine empathische Vertrauensperson hinzuziehen.

Für Pflegekräfte, die neu in das Leben der pflegebedürftigen Person treten, ist es ungemein wichtig, sie zunächst in ersten Gesprächen kennenzulernen und Vertrauen aufzubauen. Das kann mitunter auch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Kornelia Schmid, pflegende-angehoerige-ev.de

Ich habe mich zuerst innerhalb meiner Familie mit dem Thema Angehörigenpflege auseinandergesetzt. Daraufhin gründete ich die Facebook-Gruppe „Pflegende Angehörige“, um einen Austausch unter Betroffenen zu ermöglichen. Daraus entstand im Jahr 2017 der Verein Pflegende Angehörige e.V., in dem wir uns nun gemeinsam für Angehörigenpflege einsetzen.

Nun haben Sie durch unsere Experten einen ersten Einblick in die sehr sensible Thematik erhalten. Ein solches Gespräch zu suchen, ist für beide Seiten ein großer Schritt, denn das Eingeständnis, auf Hilfe angewiesen zu sein, ist nie leicht. Nehmen Sie die geteilten Erfahrungen unserer Experten mit in ein solches Gespräch bzw. nutzen Sie diese um gut vorbereitet sein. In jedem Fall ist es besonders wichtig, das Thema Pflegebedürftigkeit im Alter mit Respekt und der nötigen Akzeptanz zu behandeln.

 

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